Ein Arbeitszeugnis klingt oft positiv – doch zwischen den Zeilen steckt eine geheime Sprache. Wer die typischen Formulierungen kennt, kann sein Zeugnis richtig einschätzen und weiß, wie Arbeitgeber wirklich über ihn denken.
Warum ein Arbeitszeugnis so wichtig ist
Für viele ist das Arbeitszeugnis nur ein formales Dokument am Ende eines Jobs. In Wahrheit ist es mehr:
- Es begleitet dich oft dein gesamtes Berufsleben.
- Personalabteilungen lesen es sehr genau – und erkennen feine Unterschiede.
- Ein gutes Zeugnis kann Türen öffnen, ein schlechtes sie schließen.
Das Problem: Zeugnisse wirken fast immer positiv. Kaum jemand bekommt ein Dokument, in dem klar „ungenügend“ steht. Stattdessen gibt es eine Zeugnissprache, die zwischen den Zeilen bewertet.
Der Aufbau eines Arbeitszeugnisses
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis besteht typischerweise aus:
- Einleitung: Daten, Beschäftigungszeit, Funktion.
- Aufgabenbeschreibung: deine Tätigkeiten im Job.
- Leistungsbeurteilung: deine Ergebnisse, Fachkenntnisse, Arbeitsweise.
- Sozialverhalten: wie du dich gegenüber Kolleg:innen, Vorgesetzten und Kund:innen verhalten hast.
- Schlussformel: Dank, Bedauern, Zukunftswünsche.
Jeder Teil kann wertvolle Hinweise enthalten.
Schulnoten-Code im Arbeitszeugnis
Das Wichtigste zuerst: Die meisten Arbeitszeugnisse verschlüsseln Bewertungen in Schulnoten von 1 bis 5.
- Sehr gut (Note 1): „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“
- Gut (Note 2): „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“
- Befriedigend (Note 3): „zu unserer vollen Zufriedenheit“
- Ausreichend (Note 4): „zu unserer Zufriedenheit“
- Mangelhaft (Note 5): „im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“
Klingt nach Nuancen – macht aber in der Praxis einen gewaltigen Unterschied.
Typische Formulierungen und ihre Bedeutung
Leistungsbewertung
- „Er erledigte die Aufgaben stets selbstständig und sorgfältig“ = sehr gut.
- „Sie zeigte sich bemüht, die Aufgaben zu erfüllen“ = schwach, klingt nach Überforderung.
- „Er arbeitete zügig, wenn auch nicht immer sorgfältig“ = Kritik an Genauigkeit.
Fachwissen
- „Verfügte über ein umfassendes und stets aktuelles Fachwissen“ = sehr gut.
- „Verfügte über ein gutes Fachwissen“ = nur befriedigend.
Sozialverhalten
- „War bei Vorgesetzten, Kolleg:innen und Kund:innen stets beliebt“ = sehr gut.
- „War bei Kolleg:innen beliebt“ = kein Wort über Vorgesetzte, also Vorsicht.
- „Das Verhalten gegenüber Kolleg:innen war einwandfrei“ = neutral, oft nur befriedigend.
Schlussformel
- „Wir bedauern sein Ausscheiden sehr und wünschen weiterhin viel Erfolg“ = top.
- „Wir wünschen für die Zukunft alles Gute“ = klingt distanziert, oft schwach.
- Keine Schlussformel = fast immer ein schlechtes Zeichen.
Häufige No-Gos im Zeugnis
- Widersprüche: Erst „stets sorgfältig“, dann „ließ Genauigkeit vermissen“. Das fällt auf.
- Unvollständige Tätigkeiten: Wenn wichtige Aufgaben fehlen, kann das Absicht sein.
- Kurze, knappe Formulierungen: „Er hat seine Aufgaben erledigt.“ = Abwertung.
Was du tun kannst, wenn dein Zeugnis schlecht ist
- Recht auf Berichtigung nutzen
- Du hast Anspruch auf ein „wohlwollendes“ und wahrheitsgemäßes Zeugnis.
- Wenn etwas offenkundig abwertend ist, kannst du eine Korrektur verlangen.
- Konkrete Vorschläge machen
- Arbeitgeber ändern ungern selbst – biete eine alternative Formulierung an.
- Professionelle Prüfung
- Es gibt Anwälte und Beratungsstellen, die dein Zeugnis checken.
Tipps für dein perfektes Arbeitszeugnis
- Lies jedes Wort zwischen den Zeilen.
- Vergleiche die Zufriedenheits-Formeln mit dem Schulnoten-Code.
- Achte auf die Schlussformel – sie sagt viel über die echte Wertschätzung.
- Lass dein Zeugnis früh prüfen, bevor du dich bewirbst.
Fazit: Dein Zeugnis ist mehr als nur Papier
Ein Arbeitszeugnis kann freundlich klingen und trotzdem mittelmäßig sein. Wer die Sprache der Formulierungen versteht, erkennt die Wahrheit hinter den Worten.
So kannst du sicherstellen, dass dein Zeugnis dich stärkt – und nicht heimlich ausbremst.

